Erstellung von Sicherheitsdatenblättern (SDB) – Teil 4

Die verbleibenden SDB-Abschnitte (9–16)

MSDS-EuropeSicherheitsdatenblatt Wissensbasis – Erstellung von Sicherheitsdatenblättern (SDB) Teil 4: Die verbleibenden SDB-Abschnitte (9–16)

 

Im vorherigen Artikel („Erstellung von SDB – Teil 3“) haben wir die ersten acht Abschnitte des SDB im Detail beschrieben, von der Identifikation bis zum Personenschutz.

Jetzt fahren wir mit dem Rest des Dokuments fort.
Die Abschnitte 9–16 liefern weitere wichtige Informationen zu den physikalischen und chemischen Eigenschaften des Produkts, zur Stabilität, zu gesundheitlichen und umweltbezogenen Wirkungen sowie Anweisungen für die Entsorgung und Hinweise auf geltende Rechtsvorschriften.

Obwohl diese Abschnitte vielleicht weniger „handlungsorientiert“ sind als die ersten acht, sind sie für das Gesamtbild genauso bedeutend – insbesondere für Fachleute (z.B. Umweltbeauftragte, Entsorgungsverantwortliche).

 

Schauen wir uns an, was jeder der SDB-Abschnitte 9–16 beinhaltet:

Abschnitt 9: Physikalische und chemische Eigenschaften

Abschnitt 9 listet die wichtigsten physikalischen und chemischen Kenndaten des Produkts auf. Dazu gehören beispielsweise der physikalische Zustand (flüssig, fest, gasförmig), Farbe, Geruch, Dichte, pH-Wert, Siedepunkt, Schmelzpunkt, Flammpunkt (bei entzündbaren Flüssigkeiten), Entzündbarkeit, Dampfdruck, Wasserlöslichkeit und Löslichkeit in anderen Lösungsmitteln, Viskosität, Zersetzungstemperatur etc.

Alle Eigenschaften, die für den sicheren Umgang relevant sein könnten, sollten hier angegeben werden. Wenn eine Flüssigkeit beispielsweise leicht verdunstet und entzündlich ist, hat sie einen niedrigen Flammpunkt (z.B. „Flammpunkt: 23 °C“) – diese Angabe hilft zu verstehen, wie sich die Substanz in der Umgebung und bei Prozessen verhält. Im genannten Beispiel wüsste man, dass man die Flüssigkeit nicht in einem offenen Behälter über 23 °C lagern darf.

Falls Daten zu einer bestimmten Eigenschaft fehlen, sollte im SDB vermerkt werden, dass diese Eigenschaft nicht bekannt oder nicht anwendbar ist.

 

Abschnitt 10: Stabilität und Reaktivität

Abschnitt 10 beschreibt, wie stabil der Stoff oder das Gemisch ist und unter welchen Bedingungen oder bei Kontakt mit welchen Materialien es zu gefährlichen Reaktionen kommen kann.

Der Abschnitt ist in zwei Hauptteile gegliedert: Ein Teil behandelt die Stabilität (zum Beispiel: „Unter normalen Bedingungen stabil.“ oder „Zu vermeiden: Frost, direkte Sonneneinstrahlung.“), der andere Teil deckt Reaktivität/gefährliche Reaktionen ab (z.B. „Kann heftig mit starken Oxidationsmitteln reagieren und Wärme freisetzen.“).

Hier listet das SDB Bedingungen, die es zu vermeiden gilt (Hitze, Licht, Feuchtigkeit, Erschütterung etc., sofern relevant), unverträgliche Materialien (Stoffe, mit denen kein Kontakt erfolgen darf, wie starke Säuren, Basen, Oxidationsmittel) und gefährliche Zersetzungsprodukte, die bei Zersetzung oder Verbrennung entstehen könnten (z.B. giftige Gase).

Mit Hilfe dieses Abschnitts weiß der Anwender, wie er verhindern kann, dass der Stoff sich während Lagerung oder Verwendung spontan zersetzt oder gefährliche Reaktionen eingeht.

 

Abschnitt 11: Toxikologische Angaben

Abschnitt 11 umreißt die Auswirkungen des Stoffs oder Gemischs auf die Gesundheit. Er fasst die verfügbaren toxikologischen Informationen zusammen – sowohl akute als auch chronische Effekte.

Dazu gehören beispielsweise die möglichen Expositionswege (Einatmen, Verschlucken, Hautkontakt) und die Wirkungen des Produkts auf diesen Wegen. Wenn spezifische experimentelle Daten vorliegen, können Werte wie LD₅₀ (Dosis, bei der 50 % der Versuchstiere sterben), LC₅₀, Ergebnisse von Reiztests, Sensibilisierung (allergische Effekte), kanzerogene, mutagene und reproduktionstoxische Wirkungen (CMR-Eigenschaften), Zielorgan-Toxizität usw. angegeben werden.

Symptome, die nach Exposition auftreten können, werden ebenfalls beschrieben (z.B. Kopfschmerzen, Schwindel, Hautrötung). Bei Gemischen werden die gesundheitlichen Wirkungen oft anhand von Literaturdaten oder Daten der einzelnen Komponenten abgeschätzt. Falls das Produkt keine gravierenden toxikologischen Effekte aufweist, wird das ebenfalls hier angegeben (z.B. „Akute Toxizität: Aufgrund der Komponenten-Zusammensetzung ist das Gemisch nicht als akut toxisch eingestuft.“).

Dieser Abschnitt ist insbesondere für Arbeitsmediziner und Ärzte wichtig, da er ihnen hilft einzuschätzen, welches Risiko das Produkt für die menschliche Gesundheit darstellt.

 

Abschnitt 12: Umweltbezogene Angaben

Abschnitt 12 fasst die Auswirkungen des Produkts auf die Umwelt zusammen.

Er präsentiert ökotoxikologische Daten, zum Beispiel Gewässerschädlichkeit (LC₅₀/EC₅₀-Werte für Fische, Daphnien, Algen), Abbaueigenschaften (Biologischer Abbau), Bioakkumulationspotenzial, Mobilität im Boden sowie die Beurteilung hinsichtlich PBT/vPvB (ob der Stoff persistent, bioakkumulierbar und toxisch bzw. sehr persistent und sehr bioakkumulierbar ist).

Im Wesentlichen zeigt dieser Abschnitt, was mit der Chemikalie passiert, wenn sie in die Umwelt gelangt. Beispiel: „Nicht leicht biologisch abbaubar; sehr giftig für Wasserorganismen (LC₅₀ < 1 mg/L für Fische).“ Wenn das Produkt umweltschädlich ist, wird der Anwender hier gewarnt (z.B. dass es nicht in Boden oder Gewässer gelangen darf).

Sind keine Daten verfügbar oder gilt das Produkt als nicht umweltschädlich (z.B. leicht biologisch abbaubar im Wasser, nicht bioakkumulierend), wird auch das vermerkt.

Dieser Abschnitt ist für Umweltbeauftragte und Abfallmanagement-Verantwortliche bedeutsam, da er bei der Planung geeigneter Maßnahmen zur Emissionsminderung hilft.

 

Abschnitt 13: Hinweise zur Entsorgung

Abschnitt 13 gibt Empfehlungen zum Umgang mit dem Produkt (und seiner Verpackung), sobald es zu Abfall geworden ist.

Er beschreibt, wie man das Produkt und seine Behälter sicher und gesetzeskonform beseitigt oder zerstört. Der Abschnitt kann eine spezifische Abfallschlüsselnummer für das Produkt enthalten (gemäß europäischem Abfallverzeichnis) und eine Empfehlung, ob es als gefährlicher Abfall zu behandeln ist. Beispiel: „Reste des Produkts und kontaminierte Verpackungen entsprechend den Vorschriften für gefährliche Abfälle einsammeln. Nicht in die Kanalisation gelangen lassen. Brennbare Rückstände in einer zugelassenen Sondermüllverbrennungsanlage entsorgen.“

Es können auch einschlägige lokale Vorschriften erwähnt oder Verweise auf anwendbare Gesetze gegeben werden (beispielsweise in Deutschland das Kreislaufwirtschaftsgesetz).

Dieser Abschnitt stellt sicher, dass der Anwender am Ende des Produktlebenszyklus die Entsorgung korrekt durchführt und Umweltverschmutzung minimiert.

 

Abschnitt 14: Angaben zum Transport

Abschnitt 14 fasst zusammen, wie der Stoff bzw. das Gemisch gemäß den internationalen Transportvorschriften eingestuft ist.

Es werden die UN-Nummer aufgeführt (eine vierstellige Identifikationsnummer), der offizielle Versandname nach UN (z.B. „UN 1993 Entzündbarer flüssiger Stoff, n.a.g.“ – „nicht anderweitig genannt“), die Transportgefährdungsklasse (z.B. 3 – Entzündbare Flüssigkeit), die Verpackungsgruppe (I, II oder III) sowie besondere Vorschriften oder zusätzliche Informationen.

Gegebenenfalls werden separate Angaben für ADR/RID (Straße/Schiene), IMDG (Seeschiff) und IATA (Lufttransport) gemacht, falls es Unterschiede zwischen diesen Regelwerken gibt. Ist das Produkt nicht als Gefahrgut für den Transport eingestuft, wird auch das hier angegeben (z.B.: „Kein Gefahrgut gemäß ADR/RID, IMDG, IATA.“).

Dieser Abschnitt ist vor allem für Logistik-Personal und Versender nützlich, da er ihnen hilft, die Vorschriften für den Transport gefährlicher Güter einzuhalten (z.B. Verwendung der richtigen Gefahrzettel/Kennzeichnungen und Verpackungen).

 

Abschnitt 15: Rechtsvorschriften

Abschnitt 15 listet alle sonstigen Rechtsvorschriften oder Einschränkungen auf, die für das Produkt gelten und bisher im SDB noch nicht erwähnt wurden.

Beispielsweise kann hier angegeben sein, ob der Stoff auf offiziellen Listen geführt wird (wie der REACH-Kandidatenliste besonders besorgniserregender Stoffe (SVHC) oder der Zulassungsliste in Anhang XIV der REACH-Verordnung), ob das Gemisch Komponenten enthält, die Beschränkungen unterliegen (REACH Anhang XVII), oder ob besondere nationale Regelungen gelten (z.B. spezifische Arbeitsschutz- oder Umweltvorschriften).

Ebenfalls würde hier vermerkt, ob für das Produkt besondere Abgaben, Genehmigungen oder Registrierungen erforderlich sind. Es können relevante nationale Gesetze genannt werden (z.B. anwendbare Chemikalienrecht-Vorschriften). Zudem wird in diesem Abschnitt angegeben, ob eine Stoffsicherheitsbeurteilung (nach REACH) für den Stoff durchgeführt wurde und ob deren Ergebnisse vorliegen.

Dieser Abschnitt wirkt wie eine „rechtliche Zusammenfassung“ für das Produkt – er hilft Unternehmen sicherzustellen, dass sie alle notwendigen rechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Produkt erfüllt haben.

 

Abschnitt 16: Sonstige Angaben

Im abschließenden Abschnitt können alle Informationen aufgeführt werden, die in die vorherigen Abschnitte nicht passten, aber dennoch nützlich oder erforderlich sind.

Häufig werden hier Abkürzungen erläutert (z.B. die Bedeutungen von PBT, LC₅₀ usw.) sowie Referenzen oder Quellen angegeben (Literaturdaten, Rechtsvorschriften, auf denen das SDB basiert). Es kann auch ein Haftungsausschluss enthalten sein, der darauf hinweist, dass die Informationen im SDB nach bestem Wissen des Lieferanten korrekt sind, es jedoch in der Verantwortung des Anwenders liegt, die für seine spezifische Verwendung geltenden Vorschriften zu beachten.

In vielen Fällen werden in Abschnitt 16 der vollständige Wortlaut aller H-Sätze aufgeführt, die in Abschnitt 3 des SDB nur in gekürzter Form angegeben wurden. Zusätzlich können alle weiteren sicherheitsrelevanten Angaben ergänzt werden, zum Beispiel: „Zusätzliche Angaben des Herstellers: Nur für industrielle Verwendung. Das Produkt ist nicht für die Verwendung in Spielzeug vorgesehen.“ etc.

Damit haben wir alle 16 Abschnitte des Sicherheitsdatenblatts durchgesehen. Wie man sieht, deckt ein SDB praktisch alle wesentlichen Informationen über ein Produkt ab: Es legt fest, was das Produkt ist, welche gefährlichen Stoffe es enthält, welche Risiken davon ausgehen, wie man das Produkt sicher handhabt, was im Falle eines Brandes oder Unfalls zu tun ist und sogar, wie man das Produkt transportiert oder entsorgt.

Ein gut ausgearbeitetes SDB dient daher als umfassendes Handbuch für den sicheren Umgang mit dem Produkt. Es ist entscheidend, dass diese Informationen korrekt und aktuell sind.

(Im letzten Teil dieser Serie werden wir einige Sonderfälle und Praxistipps rund um SDB ansprechen – zum Beispiel, was zu tun ist, wenn ein Sicherheitsdatenblatt Anhänge (Expositionsszenarien) hat, wie man häufige Fehler bei der Erstellung von SDB vermeidet und wie man SDB im Arbeitsalltag effektiv nutzt. Außerdem besprechen wir, welche Unterstützung Unternehmen beim Umgang mit SDB in Anspruch nehmen können.)

 

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